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Die Küchenzwiebel
Ein Porträt aus der Sicht eines gärtnernden Kochs

Eine Zwiebel hat nicht nur viele übereinander liegende Schichten, die einzeln abgepellt werden können, sondern mindestens genauso viele Zubereitungsformen, für die sie sich eignet.

Sie ist ein Allrounder in der Küche und kommt in sehr vielen Gerichten vor, ob roh, gekocht, gedünstet, geschmort, auf Meersalz gegart, frittiert, gebacken oder gefüllt. Überall hat sie eine Berechtigung ihres Seins und kitzelt ihre vielschichtigen Aromen heraus.

Sie trägt klangvolle Namen wie „Braunschweiger Dunkelrote“, „Stuttgarter Riesen“, „Zittauer Gelbe“ und viele mehr. Es gibt gelbe, weiße und auch rote Zwiebeln. Meist wächst die Zwiebelknolle im Boden, und das stolze grüne Laub schaut aus der Erde raus.

Die Luftzwiebel reift am Ende des grünen Laubs. Hat sie eine gewichtige Größe erreicht, neigt sie sich zum Boden und verwurzelt. Es entsteht ein neuer Trieb, der auf die gleiche Weise durch den Garten wandert und seinen Weg sucht.

Die Winter-Heckenzwiebel war in meinem Garten das erste Grün des Jahres, meist schauten die Spitzen schon aus der Schneedecke hervor, um zu schauen, wann es endlich Frühling wird.
 

Die Zwiebel in der Küche

Die Zwiebel verleiht jeder Sauce Bindung, Farbe und Geschmack. Sie unterlegt jedem Schmorgericht eine kraftvolle Substanz, süßt Gerichte auf ihre ganz eigene Art und entlockt ihnen eine Harmonie zwischen kraftvollen und leicht süßlichen Noten. Sie lässt es gerne scharf angehen, mag es, karamellisiert zu werden, und schmilzt in Butter dahin, sie liebt es, sich knusprig frittieren zu lassen, und gibt gerne Röstaromen ab.

Ungeschält und halbiert, mit der Schnittfläche in eine Pfanne gelegt, anschließend geschwärzt, verleiht sie jeder Bouillon ein goldenes Aussehen. Sie kann gefüllt und als eigenständiges Gericht serviert werden. Man kann sie fermentieren, kandieren, spicken, sautieren, frittieren, braten, entsaften, trocknen, sous vide garen, eine scharfe Relish daraus herstellen und ein cremiges Püree daraus kochen. Selbst die Schale dient zum Färben von Saucen & Suppen, und sogar das Osterei wird gold-braun, wenn man es mit ihrer Schale kocht.

Das früh geerntete Laub der Zwiebel schmeckt frisch, pfeffrig und knackig. Würzt gerne einen Salat und vollendet Gerichte wie ein Rührei, Eintopf oder das Risotto in letzter Vollendung.


Regionale und kulturelle Unterschiede

Ich erinnere mich an einen spätsommerlichen Ausflug in eine Weinregion. Hausfrauen haben dort auf einem Marktplatz ihre verschiedenen Köstlichkeiten angeboten. Unter anderem verschiedene Zwiebelkuchen, die klassisch in Weinregionen zum Federweißen gereicht werden. Es versteht sich von selbst, dass jede Familie ihr eigenes Hausrezept hütet. Alle die angebotenen Zwiebelkuchen waren auf ihre Art sehr köstlich.

Doch Folgendes ist mir aufgefallen: Manche Zwiebelkuchen waren mit einer dicken Royal, einer Eier-Sahne-Mischung, übergossen, welche nicht mein Favorit war.

Andere waren wie eine Tarte zubereitet, mit ein wenig Royal übergossen, aber nicht so, dass die Zwiebeln darin ertränkt wurden, einfach köstlich. Jedoch auch hier gab es Unterschiede. Auf manch einer Tarte waren die Zwiebeln knackig und leicht gebräunt, andere wiederum farblos und etwas fade. Nun mag es natürlich sein, dass die verschiedenen Kuchen mit unterschiedlich vielen Zwiebeln belegt waren. Aber das Entscheidende dabei ist folgende Beobachtung, die ich im Laufe der Zeit in meiner Küche gemacht habe.
 

Verarbeitung

Für jegliche Zubereitung einer Zwiebel ist es wichtig, dass sie immer mit einem sehr scharfen Messer geschnitten werden sollte. Nicht,wie es in vielen Kochbüchern geschrieben steht, „die Zwiebel fein hacken“, das ist grundsätzlich falsch. Denn bei diesem Vorgang drückt sich der Saft aus der Zwiebel, damit auch der Geschmack und die Energie, die in ihr steckt. Ein weiterer Nachteil des Hackens ist, dass die Zwiebel sich viel schwieriger zubereiten lässt. Sie wird beim Hacken weich und glasig und verbrennt bei der Zubereitung viel schneller im Topf oder im Backofen.

Die leicht gebräunten Zwiebeln bei dem von mir favorisierten Zwiebelkuchen wurden sorgfältig in die richtige Größe geschnitten, und die Tarte wurde rasch gebacken. Dies gab der Zwiebel den richtigen Auftritt und machte den Zwiebelkuchen zu einem schönen spätsommerlichen Erlebnis.

Auch wenn die Zwiebel ein gewöhnliches Produkt in der Küche ist, welches uns zwölf Monate im Jahr begleitet, so ist es doch wichtig, einen sorgfältigen respektvollen Umgang mit ihr zu pflegen.

Durch meine Aufgabe als beratender Koch habe ich das große Glück, sehr viel der Welt durch Reisen kennenzulernen. Auf jeder Expedition lerne ich Neues kennen und schätzen.

Mir ist dabei noch keine Küche begegnet, die ohne die Küchenzwiebel auskommt.

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